„Cosmos“ und der Aufstieg in den Wahnsinn

Ganze 15 Jahre musste die internationale Kino-Gemeinde auf einen neuen Beitrag von Andrzej Żuławski warten. Leider wird „Cosmos“ sein jüngstes Werk bleiben, denn der polnische Filmemacher ist im Februar diesen Jahres tragischerweise verstorben. Hinterlassen hat er uns ein ambitioniertes Projekt, denn die Buchvorlagen von Witold Gombrowicz, die auch als „Antiromane“ bezeichnet werden, gelten seit jeher als unverfilmbar. In „Cosmos“ nimmt der Regisseur sich des fünfzig Jahre alten Stoffs an und montiert eine Welt aus enigmatischer Exzentrik, wie nur ein Żuławski es kann.

Dass „Cosmos“ in der Reihe „Neues Polnisches Kino“ auf dem 11. filmPOLSKA-Festival läuft, dürfte eine reine Formalität gewesen sein. Schließlich sind die Stadt Berlin und der Regisseur Andrzej Żuławski seit Jahren befreundet. 1981 drehte er mit „Possession“ den womöglich besten Hybriden aus Arthouse-Drama und Horror-Schocker, den es gibt. Und das mitten in unserer damals geteilten Hauptstadt. In „Possession“ ließ er Isabelle Adjani und Sam Neill als instabiles Ehepaar aufeinander los und inszenierte eine metaphorische wie buchstäbliche Zerfleischung. Der brodelnde Wahnsinn, der im Laufe des Films überkocht, ist auch in „Cosmos“ erkennbar, wenn auch etwas weniger blutig und mörderisch.

Es geht um Witold und Fuchs, zwei junge Männer in einer Lebenskrise. Witold hat kürzlich das Jura-Examen in den Sand gesetzt, Fuchs hat seinen Job in einer Pariser Modefirma verloren. Um die Gedanken zu ordnen, flüchten die Beiden an die Küste. Dort kommen sie bei einer Familie unter, die sich schon bald als etwas abseitig herausstellt. Das Dienstmädchen hat eine deformierte Lippe, die Mutter verfällt bei hoher Aufregung in eine Starre und das Familienoberhaupt spricht eine ganz eigene Sprache. Einzig die hübsche Lena sticht heraus und fällt vor allem Witold ins Auge.

"Cosmos", Andrzej Zulawski

Die Mühe, den Ablauf des Films in Worte zu fassen, ist vergebens. Denn das, was wir in Żuławskis Dernière zu sehen bekommen, scheint auf einem ganz anderen Planeten zu spielen. Im Zentrum steht Witold als hochsensibler philosophischer Poet, hinter dessen Gesicht augenscheinlich ein Wirbelsturm tobt. Zwischen Zitaten von Sartre und Tolstoy steigert er sich angesichts seiner Umgebung in emotionale Tiraden, während der eigentliche Plot des Films an uns vorbeifliegt. Erzählt wird von Liebe, Eifersucht, Männern und Frauen, dem alltäglichen Wahnsinn und natürlich von der Selbstfindung eines jungen Mannes. Dabei spiegelt die Form des Films den turbulenten Kosmos im Kopf des Protagonisten wider. Diese sehr eigensinnige Form, zusammen mit den rätselhaft-komischen Charakteren, verleiht „Cosmos“ seinen Reiz.

Wie schon „Possession“ ist dies ein Film der Fragen. Doch dass Bedeutungen und Absichten sich nur halb erschließen, macht den Film so interessant. Dann ist da natürlich noch der typische, polnisch-trockene Humor, der sich in Form von absurder Inszenierung und Montage durch das komplette Stück zieht. „Cosmos“ ist ein starker, bemerkenswerter Film, der uns einen letzten Blick durch die Augen von Andrzej Żuławski gewährt. Ein Paar Augen, das sich auch in seiner letzten Arbeit noch durch den Blick für das Abseitige und Ungewöhnliche definiert.

Weitere Vorführungen:

Samstag, 23. April um 20:00 Uhr im ACUDKino
Mittwoch, 27. April um 22:00 Uhr im FSK

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