War das jetzt eigentlich Science-Fiction? Als ich aus dem Kino komme und Bodo Kox, den Regisseur von The Man with the Magic Box für ein Interview abfange, schwirrt mir diese Frage im Kopf herum, die mich während des Schauens beschäftigt hat. Sie wird mich auch nach dem Interview nicht loslassen. Nicht weil auch Bodo Kox mir keine eindeutige Antwort darauf geben kann, sondern weil Kategorisierungen für Filme besonders schwer sind, wenn sie zu einfach gesetzt sind.
The Man with the Magic Box spielt in Warschau 2030 und nutzt künstliche Intelligenzen und dystopische Zustände als Folie. Die Stadt befindet sich im Kriegszustand. Statt zwischenmenschlicher Kommunikation, haben wir es mit Virtual-Reality-Brillen und Isolation zu tun. Die Umgebung ist in ein kühles Blau getaucht und Androide beherrschen das Zukunftsbild. In dieser Welt taucht Adam aus der Vergangenheit auf. Sein Körper liegt angeschlossen an Geräte auf einem Tisch in einem Warschauer Wohnzimmer der 1960er Jahre.
Adam gelangt in ein Forschungslabor, wo er als Putzmann eingestellt wird und einen ID-Code auf den Rücken gedruckt bekommt. Dort trifft er auf Goria, die für dieses Forschungslabor arbeitet. Ihre Annäherung verläuft unrealistisch schnell, wird zum Hauptthema des Filmes. Die Absurditäten fügen sich so zu einem Paralleluniversum zusammen. Vergangenheit und Zukunft, die eng miteinander verwoben sind, werden hier von Adam und Goria verkörpert. Sie, eine vermeintlich schlagfertige Frau, die erst nur eine körperliche Beziehung will, und Adam, der sich etwas verwirrt und wortkarg an seine neue Umgebung anpasst und Goria seine Liebe schwört. Schnell sind sich beide einig, dass sie zusammengehören.
Für Bodo Kox ist dies hier sein Konzept von Science-Fiction: Wenn der Krieg ausbricht, Gebäude einstürzen, sich keiner mehr etwas zu sagen hat, und sogar die Androiden abstumpfen, hilft nur noch die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau – eine Erklärung, die ziemlich abgedroschen klingt. Das Rollenverhältnis der beiden Hauptprotagonist*innen schreit nicht nach einem Konzept, das für 2030 stehen könnte. Die Vergangenheit, aus der Adam kommt, färbt allmählich auf Gorias Verhalten und ihre Abhängigkeit zu ihm ab, sodass sie schließlich zu einer „traditionell“ agierenden Frau wird – sie wünscht sich Rendezvous, Rosen, Hochzeit. Zu ihrem extravaganten Kleidungsrepertoire gehört dann plötzlich ein Mantel mit Bärenohren, mit dem sie eher lächerlich als innovativ aussieht.
Am Ende wird das Ganze auf die Spitze getrieben: In Adams Vergangenheit gereist, erscheint Goria als Hausfrau der 1960er Jahre. Der Weg zurück zu einem konservativen Ursprung ist in Polen gerade in der aktuellen Debatte um Abtreibung und die Selbstbestimmung von Frauen eine schwierige Botschaft, vor allem wenn ein Film eine Zukunftsvision darstellen will. Gleichzeitig reiht sich The Man with the Magic Box in die Tradition von Blockbustern wie Blade Runner (2017) oder Elysium (2013) ein – eine Science-Fiction, die männlich konnotiert ist und kommerzielles, auf Tempo und Special Effects getrimmtes Kino bietet. Der Film nutzt das Potential nicht aus, das Science-Fiction aber durchaus haben könnte, eben nicht nur Frauen in neuen Rollen agieren zu lassen, sondern auch das Genre ernst zu nehmen. Science-Fiction schafft neue Realitäten, die in unsere gewohnten und verengten Vorstellungen von Welt eingreifen sollen. Andrei Tarkowskis Stalker von 1979 oder Christopher Nolans Inception sind Filme, die Science-Fiction auf ganz unterschiedliche Weise interessant definieren, sich künstlerisch ausprobieren und dabei neue Welten und aufrüttelnde Fragen auf die Leinwand bringen. Und wenn Bodo Kox auch eine geschlechterpolitische Dystopie statt einer fortschrittlichen Zukunftsvision entwerfen wollte, tritt seine Science-Fiction als Satire nicht genügend hervor.
von Paula Sawatzki
Foto: (c) Reel Suspects
The Man with the Magic Box: PL 2017, 103 Min, R: Bodo Kox