Film ohne Gedankenstrich

Eine Vorahnung. Eine Landstraße. Ein Auto. Eine Familie. Eine Frau. Ein heller Tag.

Sie sitzt auf der Rückbank. Zwischen den Kindern. Sie schaut durch die zwei Erwachsenen vor ihr. Sie ist weder Kind noch Erwachsene. Sie ist Kaja. Sie kommt nach langer Zeit wieder und wird etwas verändern.

Ein Waldweg. Ein Haus. Zwei Augen. Blick in den Himmel. Eine zweite Frau. Ein Turm.

Das Auto biegt auf das Grundstück ein. Die Türen gehen auf. Kaja steigt aus. Mula erwartet sie schon. Mula und Kaja. Die Schwestern umarmen sich. Mula hat alles vorbereitet. Sie will nicht, dass etwas passiert.

Tower.ABrightDay-Still-See im Wald

(c) Indeks Film Studio

Die Kamera hält auf Kaja und auf Mula. Und auf irgendetwas, das die beiden verbindet und voneinander trennt. Es entfachen sich Streits, doch werden durch Umarmungen wieder fallen gelassen. Mula ist angespannt. Die ganze Zeit. Kaja lächelt sie an. Die ganze Zeit.

Zwischen Bässen und Vogelgezwitscher beginnt der Tag. Der Wind kündigt sich an, er rauscht am Morgen. Mula ist schon auf, um zu schauen, ob alles und alle an ihrem Platz sind. Irgendetwas beängstigt sie. Wo ist Taxi? Ihr Hund. Verschwunden eines Nachts im Dickicht der grünen Wälder.

Tower. A Bright Day. ist ein Kammerspiel im trügerischen Landidyll. Ein Wiedersehen nach sechs Jahren. Man begreift nicht warum, aber freut sich mit den Figuren. Dann Angst. Als würde sich etwas in diese scheinbar heile Welt drängen. Als wäre Kajas Rückkehr eine Bedrohung. Handys vibrieren. Bienen summen. Aber beides zusammen klingt unheimlich.

Das Debüt von Jagoda Szelc hinterlässt uns mit Fragen. Ein 106 minütiges Abrollen ohne Gedankenstrich.

von Paula Sawatzki

Tower. A Bright Day: PL 2017, 106 Min., R: Jagoda Szelc

 

Die Melodie der mongolischen Steppe

Wenn die Kamera in Zud bergige Landschaft in der mongolischen Steppe einfängt, in der die Nomadenfamilie des Jungen Subkhat lebt, scheint diese Weite unermesslich. Nicht vorzustellen, dass auch ihre Welt gezeichnet ist von Sorgen um Eigentum und Schulden. Alle Hoffnung liegt nun auf Subkhat, der ein wildes Pferd zähmen soll, um mit ihm bei einem Pferderennen das Siegergeld einzustreichen.

Dabei lebt der Junge lieber im Einklang mit der Natur und den Tieren als diese beherrschen zu wollen. Unglaubliche Ruhe verströmt sein Singen, als er geduldig eine schleichende Schlange beobachtet. Seine Melodien passen sich den Geschwindigkeiten der Tiere an – nicht andersherum. Auch das Pferd versucht er mit seinen Gesängen zu zähmen. Seine Rufe bilden in der Vereinigung mit den galoppierenden Laufgeräuschen den Soundtrack für das Filmerlebnis. Gebrochen wird seine harmonische Kommunikation mit dem Pferd von dem Vater, dem die Schulden im Nacken sitzen. Wird es Subkhat unter diesem Druck gelingen, das Rennen zu gewinnen?

Regisseurin Marta Minorowicz präsentiert gemeinsam mit ihren (Laien-)Darstellern eine Welt abseits des städtischen Trubels. Auch wenn die Handlung gerade zum Ende hin etwas an Spannung verliert und etwas zu viel Raum für Interpretation lässt, überzeugt der Film durch seine starken Bilder. Natur und Mensch leben hier zusammen, kämpfen meist für- nur manchmal leider auch gegeneinander.

von Ricarda Fait

Zud: PL 2016, 85 Min., R: Marta Minorowicz

Auf der Jagd nach dem perfekten Bild

Reisen erweitert den Horizont, heißt es. Und wer möchte das nicht: Entspannt Neues entdecken und gut erholt mit einem Koffer voller neuer Eindrücke nach Hause zurückkehren? Auch die Protagonist*innen in Marta Wójtowicz-Wcisłos und Mateusz Romaszkans Film Tourists (OT: Turyści) haben ihre Koffer gepackt und sich auf große Reisen begeben. Als Marta Wójtowicz-Wcisłos, die lange als Reisebegleiterin arbeitete, private Erinnerungsvideos von den Teilnehmer*innen ihrer Reisen zugeschickt bekam, entstand die Idee zum Film. Hunderte Stunden Material wertete das Regieduo für den Film aus – eine Arbeit, die mehrere Jahre in Anspruch nahm. Wójtowicz-Wcisło und Romaszkan war es wichtig, die Reisenden nicht bloßzustellen – zu persönliche Aufnahmen fanden laut Regieduo keinen Eingang in den Film. Nicht die Reisenden selbst, sondern ihre Art zu reisen steht im Vordergrund des Films. Viele unterschiedliche Reisevideos von Amateur*innen reihen sich im Film aneinander und fügen sich zu einer großen Gesamtreise zusammen. Die Unterschiede zwischen den Reisen wurden im Film gezielt verwischt. Von der Chinesischen Mauer über Thailand und Indien geht es bis nach Afrika und Mittelamerika – und doch scheint eines überall gleich: Menschen tun alles für das perfekte Erinnerungsfoto.

„Nebel! So viel Nebel!“ jammert eine Touristin an der Chinesischen Mauer, doch der Reiseleiter sorgt schnell für Abhilfe: Er hält ein Poster der Chinesischen Mauer hoch, das alle Tourist*innen gierig abfotografieren, ohne sich auch nur im Geringsten dabei albern zu fühlen. Was zählt, sind die Bilder. „Hier muss irgendwo eine Sehenswürdigkeit sein, aber es sieht alles so ähnlich aus! Ich weiß gar nicht, was ich filmen soll!“, sagt eine Amateurfilmerin verzweifelt, während ein anderer Tourist sein Hotelzimmer in allen Einzelheiten abfilmt und die Erklärungen sicherheitshalber gleich mitliefert: „Hier ist das Klo und noch verschiedener anderer Scheiß!“

Dramaturgisch geschickt holt das Regieteam das Publikum beim weit gefassten Thema „Reisen“ ab und zieht uns mit humorvollen Szenen und tanzbaren Rhythmen in den Film, um dann – unterstützt durch düstere Musik – ernstere Töne anzuschlagen. Bringen uns die verwackelten Amateuraufnahmen in Kombination mit absurden Kommentaren zu Beginn noch zum Lachen, löst das Verhalten der Reisenden gegenüber den Menschen in den bereisten Ländern schon bald Fremdscham aus. „Da beten Moslems! Janusz, film sie! Schnell!“, fordert eine Frau ihren Mann an einer Stelle auf. „Ich dachte, ich müsste heute nichts mehr filmen“, seufzt der genervt.

Blitze und Auslösergeräusche werden zwischen Videoaufnahmen von Menschen geschnitten, die in Armut leben. Als ein Reisender einen Bettler filmt, sagt er dazu: „Unglaublich, dass es solche Orte auf der Welt gibt! Schaut euch diese Bettler an! Der ganze Müll… Es stinkt!“ Während er immer näher an die Gesichter der Bettler heranzoomt, fügt er noch hinzu: „Und diese Menschen leben hier! Ich bin schockiert!“ Die in ihrer Position herablassend wirkenden Reisenden degradieren dabei auch Kinder zu Objekten und fordern sie auf, für die Kamera ihr schönstes Lächeln zu zeigen – für eine Gegenleistung von ein paar Süßigkeiten.

Kulturen und Traditionen verkommen hier zur bloßen Show. Völlig deplatziert wirkt ein Tourist mit Kamera um den Hals inmitten einer Gruppe von vermeintlichen afrikanischen Dorfbewohner*innen, die für die Tourist*innen einen Tanz aufführen. Als der Reisebus durch einen Slum fährt, betteln die Reisenden den Reiseleiter an, Fotos machen zu dürfen. „Die Menschen hier mögen das nicht“, grummelt der Busfahrer, und Enttäuschung macht sich breit. „Wie süß!“ ruft ein Ehepaar in Asien aus, als ein kleines Mädchen auf einem Boot versucht, Muscheln und Ketten an die Tourist*innen zu verkaufen. Was für die Protagonist*innen zählt, ist das Foto. Wieder einmal.

Immer wieder regt Tourists zum Nachdenken an. Verhalten wir uns auf Reisen so anders als die Tourist*innen im Film? Wie kann man es besser machen? Liegt die Verantwortung nur bei den Reisenden oder auch bei den Reiseveranstalter*innen? Ist eine andere Art zu reisen möglich? Und haben immer bessere Handykameras und Apps wie Instagram unsere Art zu reisen verändert? Geht es nur noch um perfekte Bilder?

Gegen Ende des Films prägt sich dem Publikum eine Einstellung besonders ein. Von hinten sieht man die Köpfe der Tourist*innen im Bus. Dazu erklingt düstere Musik – die Melodie heißt „Wut“ und stammt laut dem Regieduo aus dem Mittelalter. Der Reisebus bewegt sich als abgeschotteter Ort durch verschiedenste Regionen dieser Welt und seine Insass*innen verlassen den Bus gedanklich nicht. Sie wollen Entdecker*innen sein, andere Länder und Kulturen kennenlernen – und bleiben doch immer gefangen in ihrer eigenen Welt.

von Stefanie Borowsky

Turyści: PL 2017, 72 Min., R: Marta Wójtowicz-Wcisło, Mateusz Romaszkan

Big Sister is Watching You

Der Debütfilm Tower. A Bright Day von Jagoda Szelc ist ein Familiendrama der anderen Art. Es wird mit Schnitt und Ton experimentiert, sodass eine verstörend bedrückende Atmosphäre entsteht.

Vogelperspektive. Wir folgen einem Auto aus der Stadt in die Natur. Die leere Landstraße zerteilt das Kornfeld in zwei Teile. Ein starkes Bild am Anfang, dazu ein dumpfer Sound von Bass. Unangenehm, laut, aufdringlich – das geht nicht nur unter die Haut, sondern bis in die Knochen. Die Landschaft verändert sich – Wald. Aus der Totalen hinaus geht es immer näher zum Auto hin und letztendlich in dieses hinein. Der Sound bricht ab. Das Auto ist angekommen am Ort des Kammerspiels.

Andrzej und Kaja besuchen ihre Schwester Mula zur Erstkommunion der Tochter Nina. Eine erste Begegnung seit langer Zeit. Kaja war die letzten sechs Jahre abwesend. Sie und Mula umarmen sich daher lange, bevor Mula ihre entfremdete Schwester Kaja beiseite nimmt und ihr die „Spielregeln“ für die nächsten Tage erklärt, die sie bis zur Kommunion von Nina zusammen verbringen werden: „Du wirst Nina nicht sagen, dass du ihre Mutter bist. Du wirst dich nicht mir ihr alleine aufhalten. Verhalte dich normal. Du wirst nicht sagen, wo du die letzten sechs Jahre warst.“ Die Idylle ist von Anfang an gestört, was nicht verwundert. Die dumpfen Töne haben uns skeptisch gemacht, der Regelkatalog öffnet die Büchse der Pandora.

So mystisch wie das klingt, so unheimlich ist es auch. Immer wieder gibt es Zwischensequenzen – unabhängig von der Geschichte – die Kaja von hinten zeigen, die Umgebungsgeräusche bis ins Unerträgliche gesteigert. Es wird hier bewusst mit dem Genre des (Psycho-)Thrillers gespielt. Die Kameraführung, die oft sehr nah bei den Figuren und insbesondere bei Mula ist, trägt ebenfalls dazu bei. Aber ist Kaja wirklich der Störfaktor? Für ihre Schwester, die wie ein Wachturm alles zu überblicken und zu kontrollieren versucht, zweifelsohne. Aber die Büchse der Pandora enthält bekanntlich nicht nur Übles, sondern auch die Hoffnung. Vielleicht ist Kaja einfach nur ein Symbol dafür, dass nicht alles perfekt sein kann. Veränderungen geschehen – ob wir wollen oder nicht.

So wie die Landstraße am Anfang die Kornfelder teilt, spaltet Kaja die Welt. Etwas bricht auseinander, es findet ein Schnitt statt. Den Turm gibt es nicht mehr, nur noch den hellen Tag. Eine Schlange schlängelt sich am ersten Tag der neuen Zeit gemächlich über den Boden. Ob wirklich eine biblische Konnotation dahintersteckt? Es bleibt offen. Wie das Ende. Wie der ganze Film. Bewusst. Wir sollen aufgewühlt sein, mit Emotionen und Fragen aus dem Kino gehen, nicht mit einer fertigen Story.

von Elisabeth Müller

Tower. A Bright Day: PL 2017, 106 Min., R: Jagoda Szelc

Sehenswerte Abgründe

Du blickst in den Abgrund. Die Aussicht könnte schöner sein. Dann schreist du hinein, doch dieser Abgrund, der dich zu verschlingen droht, schweigt. Er antwortet nicht. Es ist zum Verzweifeln. Man möchte einfach hineinspringen, und in seine Dunkelheit eintauchen, eins mit dem Abgrund werden.

So in etwa dürfte es der Protagonistin in Anna Jadowskas Film Wilde Rosen ergehen. Die Regisseurin fokussiert den Alltag einer jungen polnischen Frau auf dem Land. Die 27-jährige Ewa (Marta Nieradkiewicz) kehrt nach einem Krankenhausaufenthalt zu ihren Kindern sowie zu ihrer Mutter zurück und stößt auf ein ihr gegenüber recht befremdlich erscheinendes Umfeld. Dieses Umfeld spricht hinter vorgehaltener Hand über sie und ihre Liebschaft mit dem 16-jährigen Marcel. Mit der Erziehung von Tochter und Sohn steht sie weitestgehend alleine dar, denn ihr Mann Andrzej (Michał Żurawski), der nur selten zu Hause ist, arbeitet im Ausland, um seinen Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen.

Wilde Rosen ist sozialrealistisches Arthouse-Kino, das die Lethargie und Wünsche seiner Protagonistin sowie die Konflikte innerhalb der Familie ausleuchtet. Je ruhiger die Kamera, desto stärker werden die seelischen Bruchstellen im Mikrokosmos Familie und insbesondere bei Ewa deutlich. Die eingefangenen Blicke erzählen Geschichten, die geheim bleiben wollen. Im Krankenhaus starrt Ewa mit leerem Blick an die Wand. Auf der Kommunionsfeier ihrer Tochter ist für Ewa nicht mal ein müdes Lächeln drin, auch nicht auf dem hier geschossenen Familienfoto.

Der Grat zwischen familiärer Dysfunktionalität und scheinbarer Harmonie ist ein schmaler. Ablenkung vom tristen Alltag sieht Ewa einzig und allein im Pflücken von Rosenblättern.

Auch für das Publikum sind diese Ausflüge kurzweilige Fluchten aus der Tristesse des Alltags der Protagonistin. Die Natur als Balsam für die Seele. Die Bienen surren und bestäuben die Blüten. Die Vögel zwitschern. Die Sonne scheint. Und inmitten des labyrinthischen Rosenfeldes liegen Ewa und ihr kleiner Sohn Jasiu. Kleine Fluchtpunkte des „Bei-sich-selbst-sein-Dürfens“, die die Kamerafrau Małgorzata Szyłak in ruhigen Bildern einfängt.

Die Momente der Ruhe werden von der Traurigkeit des Alltags aber immer wieder eingeholt. Da ist die Liebelei mit Marcel, einem hoffnungslos verliebten Pubertierenden, in einer der verwinkelten Ecken des Rosengartens. Die Kamera folgt ihnen, hält den kurzen leidenschaftlichen Moment zwischen den beiden fest. Ihre Küsse sind Explosionen und zugleich Erschütterungen von Ewas Innerem. Der Wunsch der jungen Frau nach Nähe zerschellt an ihrer emotionalen Distanziertheit.

Zum Ende hin nutzt Regisseurin Jadowska das dramatische Verschwinden des kleinen Jasiu, um die Situation des Paares derart zuzuspitzen, dass nun explizit wird, was zu Beginn nur angedeutet blieb: Diese Familie ist kaputt. Der Abgrund ist größer denn je.

Das sehr überraschende und offene Ende, das den Bogen zum Anfang schlägt, lässt genügend Raum für Spekulationen. Am Ende trifft Ewa eine Entscheidung. Es ist eine, die ihr Leben verändert wird. Ein möglicher Schritt in Richtung Erwachen aus Lethargie und Hoffnungslosigkeit. Doch im Sozialrealismus liegen Scheitern und Hoffen ganz dicht beieinander.

Du blickst in den Abgrund. Es tut weh. Doch ein Aufbruch zu neuen Ufern ist möglich. Wilde Rosen zeigt, dass der Blick in die Abgründe ein durchaus sehenswerter sein kann.

von Tobias Ritterskamp

Wilde Rosen: PL 2016, 93 Min., R: Anna Jadowska

Keine Fragezeichen grade biegen

„Es ist eben nicht gleichgültig, ob eine Person lebt oder tot ist, wenn man über sie einen Film dreht“, sagt Elwira Niewiera auf der Eröffnung der 13. Ausgabe des 7- tägigen polnischen Filmfestivals filmPOLSKA am Mittwochabend im Babylon Kino am Rosa-Luxemburg-Platz. Sie wird ihren Film Der Prinz und der Dybbuk zeigen, den sie zusammen mit Co-Regisseur Piotr Rosołowski gedreht hat: Ein Biopic der suchenden Art, nach Wahrheiten und Antworten. Eine fragmentarische Auseinandersetzung mit dem Leben eines Menschen, der nicht in die Vergangenheit zurückkehren wollte, weil er es nicht konnte. Die Deutschlandpremiere des Filmes setzt an diesem ersten Festivalabend ein Zeichen gegen das Vergessen. Der Prinz und der Dybbuk hilft dabei auch zum Verständnis über eine komplizierte Identität beizutragen, über die Protagonist Michał Waszyński Zeit seines Lebens selbst nie sprechen konnte.

Der Festivalabend wird neben der Ehrung des Filmproduzenten und Shoa-Überlebenden Artur Brauner begleitet von der Aktion „Kippa tragen“ gegen die gegenwärtige antisemitische Gewalt auf der Welt, vor allem aber in Berlin und dem Rest Deutschlands. Neben den Zuschauenden tragen sowohl Festivalkurator Kornel Miglus, als auch Elwira Niewiera an dem Abend die Kippa. Es ist die Gleichzeitigkeit von Festivalauftakt und Aktion, von einem filmischen Porträt und dem solidarisch gesetzten Zeichen gegen Antisemitismus und Ignoranz, die diesen Filmabend zu einem wichtigen kulturellen Ereignis während des Festivals macht.

Michał Waszyński war Filmemacher und Produzent und machte sich mit Filmen wie Der Unbekannte von San Marino (1947) einen Namen. Als „polnischer Prinz“ war er international bekannt, und widmete sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Italien und Spanien realen historischen Geschichten und Heldenlegenden. Seine private Vergangenheit vor dem Zweiten Weltkrieg verschwieg er oder verdrehte Fakten, als Regisseur drehte er in Polen mehr als ein Dutzend Filme. Der Prinz und der Dybbuk des Regieduos Niewiera und Rosołowski will genau davon erzählen. Hart sind die Schnitte zwischen Filmsequenzen aus Michał Waszyńskis eigenen Filmen zu Archivmaterial und neu gedrehten Szenen über den Filmemacher, rasch die Überleitung von Waszyńskis Nachkriegsgegenwart zu seiner vergessenen Vergangenheit.

Der Prinz und der Dybbuk ist auch eine Hommage an Michał Waszyńskis beinahe vergessenen Film Der Dybbuk (1937), eine Liebestragödie in jiddischer Sprache und gleichzeitig die Geschichte einer Legende. Nach Ausbruch des Krieges konvertierte Waszyński zum Katholizismus und schloss sich der Armee der polnischen Exilregierung an. Seine Familie überlebte den Krieg nicht, und eine Erinnerung an sie wurde kaum festgehalten. Nur ein Foto, das Waszyński mit seiner mutmaßlichen Mutter Cilia Waks zeigt, wird während der filmisch dokumentierten Recherche durchgereicht. Es landet unter Lupen, wird den auf der Parkbank sitzenden Babushki in der heutigen Ukraine gezeigt und findet schließlich auch seinen Weg unter einen Vergrößerungsbildschirm eines Zeitzeugen und Bekannten aus seiner damaligen polnischen Heimat Kowel.

„Sprytna życiowa“ wird mit Waszyński assoziiert – „Lebensweisheit“. Und doch transportiert die deutsche Übersetzung lang nicht den Klang des polnischen Wortes, dessen Artikulation durch die vielen Konsonanten nicht nur eine gewisse Schnelligkeit transportiert, sondern auch etwas Raffiniertes, manchmal auch Undurchschaubares.

Undurchschaubar ist auch die Figur des Dybbuks, die Erscheinung einer geliebten Person der Protagonistin. Während die Imagination des Mannes sich langsam auflöst, erklingen im Hintergrund Worte aus Waszyńskis Tagebuch. Die hier auf jiddisch artikulierten Zeilen enden oft mit Fragezeichen und geben Einblick in sein Denken und Fühlen zu dieser Zeit.

Was Niewiera und Rosołowski in Der Prinz und der Dybbuk filmisch schaffen, ist eine Verbindung von Einzelteilen zu einem großen Kunstwerk. Sie schaffen einen nicht aufhörenden Versuch, einige der biografischen Fragezeichen Waszyńskis grade zu biegen. Nicht alle Fragezeichen lassen sich jedoch zu Ausrufezeichen formen, was am Ende des Filmes deutlich wird. Manche bleiben, und das ist auch gut so. Sonst wären wir doch bei einer abgeschlossenen Gleichgültigkeit angekommen, wenn es letztlich keine Fragen mehr gibt und wir alles von einem Menschen zu wissen glauben.

von Paula Sawatzki

Der Prinz und der Dybbuk: PL/D 2017, 82 Min., R: Elwira Niewiera, Piotr Rosołowski

Pokaż kotku, co masz w środku

W „Księciu i Dybuku” Elwira Niewiera i Piotr Rosołowski chcą postawić pomnik zapomnianemu twórcy polskiego przedwojennego kina – Michałowi Waszyńskiemu i go z niego zdjąć. I tylko pozornie są to sprzeczne ambicje.

Niedawno polskie ministerstwo spraw zagranicznych udostępniło grafikę sugerującą, że bracia Warner byli Polakami. Państwowi urzędnicy nie musieli porywać się na tak śmiałą reinterpretację życiorysów założycieli słynnej wytwórni, bo na wciągnięcie ręki mają o wiele lepszego kandydata do obsadzenia w roli naszego człowieka w Hollywood: Michała Waszyńskiego.

„Jak to możliwe, że wiemy o nim tak niewiele?” – można podejrzewać, że to zdziwienie było impulsem dla Niewiery i Rosołowskiego do wzięcia na warsztat biografii najpopularniejszego polskiego przedwojennego reżysera. Gest sięgnięcia po Waszyńskiego ma też wyraźny rys etyczny i wspólnotowy – nie bójmy się tego powiedzieć: „Książe i Dybuk” to produkcja misyjna i zaangażowana. Wyrasta z niezgody dokumentalistów na porządek rzeczy, a ten w Polsce – ostatnimi czasy – jest narodowy.

Z jednej strony więc reżyserzy chcą przypomnieć szerokiej publiczności ważną postać z historii polskiego i światowego kina – dodatkowo wpisują się tym w nurt reinterpretacji kanonu filmowego, który postuluje dowartościowanie masowych twórców, dotychczas uznawanych za autorów dzieł pozbawionych wartości artystycznej; z drugiej – zapomnienie o Waszyńskim, ich zdaniem, nie jest przypadkowe, bo zwyczajnie nie pasował on do naszego bohaterskiego wzorca.

Mosze, Misza, Michał – Waszyński to postać z epoki, w której umowność tożsamości ujawniała się nawet przy przedstawieniu się, wręcz zachęcającej do tworzenia alternatywnych opowieści o samym sobie. Ten Żyd ze sztetlu, uwielbiany przez masową publiczność reżyser, salonowy bon vivant i samozwańczy książę bardzo świadomie tworzył własny wizerunek, co w języku epoki byłoby łączone ze sprytem, ale już wkrótce zostanie nazwane autokreacją i będzie kluczowym narzędziem kultury masowej. Jego biografia jest żywym przykładem na potwierdzenie tezy Susan Sontag z eseju „Notatki o kampie”, że zamiłowanie do kiczowatej estetyki ma wiele wspólnego z żydowską wrażliwością. W dodatku na długo przed Warholem odkrył, że homoseksualna emocjonalność idealnie współgra z fantazyjną wyobraźnią popkultury, co stawia go w queerowej awangardzie.

Niewiera i Rosołowski trafili na postać Waszyńskiego poprzez niedawno wydaną biograficzną książkę o nim. Wyruszają oni w podróż śladami jego życia, co częściowo przypomina rodzaj kinofilskiej praktyki nazywanej set-jettingiem, czyli wycieczek śladem filmowych lokacji i miejsc kojarzonych z twórcami, bo film w zasadzie jest zapisem ich wyjazdów uzupełnionym o materiały wizualne. W tym sensie „Książe i Dybuk” mógłby być nakręconym przez parę zafiksowanych fanów listem miłosnym do Waszyńskiego, zamiast tego jednak dostajemy próbę uspójnienia jego biografii, dociekliwe śledztwo mającego odpowiedzieć na pytanie: kim naprawdę był? Autorzy budują na fundamencie, na którym tworzy się popkulturowe legendy, czyli autentyczności.

O ile biografia Waszyńskiego jest pomnikowa, to reżyserzy chcą też zajrzeć za kulisy i zobaczyć co tam skrywał. Pozornie stawiają sobie więc za zadanie postawić pomnik i go obalić, czy jednak każda godna uwagi twórczość nie musi znaleźć potwierdzenia w nieprzeciętnym jednostkowym życiorysie? W pewnym sensie wręcz swoim śledztwem autorzy próbują wynaleźć mu, czy też napisać biografię od nowa, a ta przecież gatunkowo wyrasta z oświeceniowej formuły wyznania, a więc jest ściśle związana z pojęciem prawdy. Nic dziwnego, że Waszyński wciąż się im wymyka, bo pilnie strzegł swojej prywatności i pozostawiał po sobie tylko poszlaki. A może po prostu uważał, że są tylko opowieści o samym sobie, a tożsamość jest ściśle narracyjna?

W reżyserskich dociekaniach daje się zauważyć pęknięcie na okres: przedwojenny i powojenny. Część przedwojenna rozgrywa się w Polsce i na Ukrainie – jest ona zapisem wyparcia żydowskości z zbiorowej pamięci i przestrzeni miejskiej. Najlepiej widać to w długich ujęcia synagogi na Ukrainie, w której obecnie znajduje się sklep z ubraniami. To ten sam gest oskarżycielskiego ujawnienia, który znamy z projektu „Pływalnia” Rafała Jakubowicza poświęconego poznańskiej synagodze, gdzie teraz jest basen. Natomiast część powojenna to seria statycznych rejestracji – w konwencji „gadających głów” – żyjących jeszcze osób, które miały kontakt z Waszyńskim, z kurtuazyjną przesadą potwierdzają one, że wielkim twórcą był. Co pokazuje jak krucha jest wiara, że świadkowie epoki mają dostęp do „autentycznej” pamięci.

To wspominanie powyżej pęknięcie widać również w wykorzystywanym materiale archiwalnym: początkowo są to nieliczne fotografie z albumu rodzinnego, które powstawały na użytek domowy, potem zaś pojawiają się fotografie prasowe dla czytelników lifestylowych magazynów, którzy pragnęli prywatności swoich ulubionych twórców. Widać tutaj proces, które dokonuje się wraz z rozwojem kultury masowej, czyli narodziny osobowości publicznej. Ostatecznie Waszyński nigdy się nią nie stał, pozostał wyłącznie zagadkowym panem ze skraju fotografii, do którego uśmiecha się Sofia Loren. Jego status pewnie nie ulegnie również po „Księciu i Dybuku”, jest to jednak niezwykle cenna praca wykona w ramach historii polskiego filmu i upowszechniania jej publiczności.

Książę i Dybuk: PL/D 2017, 82 Min., R: Elwira Niewiera, Piotr Rosołowski

Moshe, Michał, Mike, Mischa

Wer war Michał Waszyński? Dieser Frage geht der Dokumentarfilm von Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski nach. Collagenhaft fügen sie Szenen aus Waszyńskis Filmen und Gespräche mit Zeitzeugen aus Polen, der Ukraine, Israel, Italien und Spanien zusammen, die durch Tagebucheinträge des polnischen Regisseurs ergänzt werden. Nach und nach kommen neue Puzzleteile hinzu und eröffnen damit immer neue Blicke auf einen Menschen, der verschiedene Leben in mehreren Ländern und mit unterschiedlichen Identitäten führte.

1904 wurde Michał Waszyński als Moshe Waks im polnischen Kowel, das heute in der Ukraine liegt, als Sohn eines jüdischen Schmieds geboren. In Warschau änderte Waks seinen Namen in Michał Waszyński und konvertierte zum Katholizismus. Dort arbeitete er als Schauspieler und Regieassistent und drehte 1929 seinen ersten Film. 1937 drehte er Der Dybbuk, einen bedeutenden jiddischen Film über eine alte jüdische Legende: Eine Frau wird vom Geist einer unerwiderten Liebe heimgesucht. Sequenzen dieses Films werden immer wieder in den Film Der Prinz und der Dybbuk montiert. Zusammen mit Waszyńskis Tagebucheinträgen, die eine Stimme aus dem Off spricht, ermöglichen sie einen Einblick in das Seelenleben eines unglücklichen Mannes mit vielen Gesichtern. Immer wieder holte Michał Waszyński seine jüdische Vergangenheit in seinen Träumen ein.

Stück für Stück kommt Moshe, Michał, Mike oder Mischa dem Publikum näher und bleibt doch immer rätselhaft. Zeitzeugen erinnern sich – oft mit einem Augenzwinkern – daran, dass Waszyński sich als polnischer Prinz ausgab, eine reiche, alte italienische Gräfin heiratete und homosexuell war, dies aber nur im Verborgenen auslebte. Waszyńskis Chauffeur erzählt, der Regisseur habe in einer Traumwelt gelebt, und ein Graphologe meint, anhand von Waszyńskis Handschrift erkennen zu können, dass er Mythomane gewesen sei – jemand, dem es schwerfällt, Realität und Imagination auseinanderzuhalten. Waszyński, der in Spanien und Italien als Regisseur und Produzent von mehr als 40 Filmen arbeitete, starb 1965 in Italien an den Folgen eines Herzinfarktes.

„Es tut gut, nicht zu wissen, wer ich bin“, sagte Waszyński einmal. Der Satz könnte als Motto für diesen Film stehen, der nur eine Annäherung an einen Mann sein kann, der seine Spuren verwischen wollte. Letztendlich bleibt Michal Waszyński nicht nur im Leben, sondern auch im Film ein Geheimnis, das sich nicht ergründen lässt.

von Stefanie Borowsky

Der Prinz und der Dybbuk: PL/D 2017, 82 Min., R: Elwira Niewiera, Piotr Rosołowski

Leben in einer Traumwelt

Michał Waszyński. In der Zwischenkriegszeit bekannt als einer der bedeutendsten Regisseure des polnischen Kinos, danach Produzent der größten Hollywoodfilme in Italien. Doch wer war er abgesehen von seinen filmischen Errungenschaften?

Ein Friedhof. Eine sonore Stimme, die Yiddisch spricht. Ein junger Mann, der sich langsam in einen Geist verwandelt. Szenen aus dem Film Dybbuk, einem der Meilensteine des polnischen Kinos aus dem Jahr 1937. Regie: Michał Waszyński. Wer nun eine Bestandsaufnahme über die goldene Zeit des polnischen Kinos erwartet, der irrt.
In den folgenden 82 Minuten geht es nur bedingt um die Filmwelt. Es geht auch nicht um ein Leben für den Film, sondern vielmehr um das Kino als Abbild eines Lebens. Des Lebens von Michał Waszyński, genannt „Der Prinz“, einem Mann, der laut Zeitzeugen ebenso geheimnisvoll wie aufregend war, und dessen Vergangenheit bis jetzt nie beleuchtet wurde. Die Regisseure Rosołowkski und Niewiera decken in Der Prinz und der Dybbuk diese Vergangenheit auf. Von Zeitzeugen, die von Waszyńskis Tagen beim Film berichten bis hin zu Bewohnern seines vermeintlichen Heimatdorfes. Die Spurensuche führt nach Italien, in die Ukraine, nach Polen und Israel. Während dieser Erkundungen wird Waszyńskis filmisches Werk immer mehr zur Parallele seines eigenen Lebens. War er wie der Mann in seinem Film Der unbekannte aus San Marino? War der Film Der Dybbuk sein Bekenntnis für das Ringen mit den Geistern seiner eigenen Vergangenheit? In fast essayistischer Weise nähert sich der Dokumentarfilm diesen Fragen an. Unterstützt von Einträgen aus Waszyńskis Tagebuch zeichnet sich zunehmend das Bild eines Mannes ab, der tief im Inneren immer versuchte, etwas zu verbergen: seine Herkunft, seine Heimat oder sogar seine Sexualität.

Der Prinz und der Dybbuk präsentiert sich als hypnotisches, zum Teil sogar surreales Machwerk, dass das Publikum in Fragmenten zu einer geheimnisvollen Biografie führt, ohne dabei zu ausführliche Antworten zu liefern. Dabei entsteht ein Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Der Film gestaltet sich als unterhaltsame und interessante Reise in die frühe Zeit des Films, hin zur komplexen Persönlichkeit Waszyńskis. Ein früherer Wegbegleiter beteuert im Film: „Keiner wusste wie er wirklich war.“ Der Prinz und der Dybbuk gibt zumindest eine Idee davon, wer Michał Waszyński gewesen sein könnte.

von Oliver Sami

Der Prinz und der Dybbuk: PL/D 2017, 82 Min., R: Elwira Niewiera, Piotr Rosołowski

Die Hausfrau des Zeitreisenden

War das jetzt eigentlich Science-Fiction? Als ich aus dem Kino komme und Bodo Kox, den Regisseur von The Man with the Magic Box für ein Interview abfange, schwirrt mir diese Frage im Kopf herum, die mich während des Schauens beschäftigt hat. Sie wird mich auch nach dem Interview nicht loslassen. Nicht weil auch Bodo Kox mir keine eindeutige Antwort darauf geben kann, sondern weil Kategorisierungen für Filme besonders schwer sind, wenn sie zu einfach gesetzt sind.

The Man with the Magic Box spielt in Warschau 2030 und nutzt künstliche Intelligenzen und dystopische Zustände als Folie. Die Stadt befindet sich im Kriegszustand. Statt zwischenmenschlicher Kommunikation, haben wir es mit Virtual-Reality-Brillen und Isolation zu tun. Die Umgebung ist in ein kühles Blau getaucht und Androide beherrschen das Zukunftsbild. In dieser Welt taucht Adam aus der Vergangenheit auf. Sein Körper liegt angeschlossen an Geräte auf einem Tisch in einem Warschauer Wohnzimmer der 1960er Jahre.

Adam gelangt in ein Forschungslabor, wo er als Putzmann eingestellt wird und einen ID-Code auf den Rücken gedruckt bekommt. Dort trifft er auf Goria, die für dieses Forschungslabor arbeitet. Ihre Annäherung verläuft unrealistisch schnell, wird zum Hauptthema des Filmes. Die Absurditäten fügen sich so zu einem Paralleluniversum zusammen. Vergangenheit und Zukunft, die eng miteinander verwoben sind, werden hier von Adam und Goria verkörpert. Sie, eine vermeintlich schlagfertige Frau, die erst nur eine körperliche Beziehung will, und Adam, der sich etwas verwirrt und wortkarg an seine neue Umgebung anpasst und Goria seine Liebe schwört. Schnell sind sich beide einig, dass sie zusammengehören.

Für Bodo Kox ist dies hier sein Konzept von Science-Fiction: Wenn der Krieg ausbricht, Gebäude einstürzen, sich keiner mehr etwas zu sagen hat, und sogar die Androiden abstumpfen, hilft nur noch die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau – eine Erklärung, die ziemlich abgedroschen klingt. Das Rollenverhältnis der beiden Hauptprotagonist*innen schreit nicht nach einem Konzept, das für 2030 stehen könnte. Die Vergangenheit, aus der Adam kommt, färbt allmählich auf Gorias Verhalten und ihre Abhängigkeit zu ihm ab, sodass sie schließlich zu einer „traditionell“ agierenden Frau wird – sie wünscht sich Rendezvous, Rosen, Hochzeit. Zu ihrem extravaganten Kleidungsrepertoire gehört dann plötzlich ein Mantel mit Bärenohren, mit dem sie eher lächerlich als innovativ aussieht.

Am Ende wird das Ganze auf die Spitze getrieben: In Adams Vergangenheit gereist, erscheint Goria als Hausfrau der 1960er Jahre. Der Weg zurück zu einem konservativen Ursprung ist in Polen gerade in der aktuellen Debatte um Abtreibung und die Selbstbestimmung von Frauen eine schwierige Botschaft, vor allem wenn ein Film eine Zukunftsvision darstellen will. Gleichzeitig reiht sich The Man with the Magic Box in die Tradition von Blockbustern wie Blade Runner (2017) oder Elysium (2013) ein – eine Science-Fiction, die männlich konnotiert ist und kommerzielles, auf Tempo und Special Effects getrimmtes Kino bietet. Der Film nutzt das Potential nicht aus, das Science-Fiction aber durchaus haben könnte, eben nicht nur Frauen in neuen Rollen agieren zu lassen, sondern auch das Genre ernst zu nehmen. Science-Fiction schafft neue Realitäten, die in unsere gewohnten und verengten Vorstellungen von Welt eingreifen sollen. Andrei Tarkowskis Stalker von 1979 oder Christopher Nolans Inception sind Filme, die Science-Fiction auf ganz unterschiedliche Weise interessant definieren, sich künstlerisch ausprobieren und dabei neue Welten und aufrüttelnde Fragen auf die Leinwand bringen. Und wenn Bodo Kox auch eine geschlechterpolitische Dystopie statt einer fortschrittlichen Zukunftsvision entwerfen wollte, tritt seine Science-Fiction als Satire nicht genügend hervor.

von Paula Sawatzki

Foto: (c) Reel Suspects

The Man with the Magic Box: PL 2017, 103 Min, R: Bodo Kox