would
you still want to travel to
that
country
if
you could not take a camera with you
Nayyirah Waheed – Salt
Tourists von Marta Wójtowicz-Wcisło und Mateusz Romaszkan ist ein Zusammenschnitt von Amateuraufnahmen, die auf Reisen entstanden sind. Es sind polnische Tourist*innen, die den Sucher auf andere richten: Auf die wilden Tiere und die Einheimischen in anderen Ländern; von einem Boot aus, aus dem schwankenden Reisebus oder vom Rücken eines Elefanten. Die Regisseur*innen haben ein Werk geschaffen, das uns als westliche Gesellschaft mit dem eigenen Reiseverhalten konfrontiert; ein Kaleidoskop, das so zusammengeschnitten ist, dass eine eigene kleine Reise entsteht. Eine Stunde dauert das Publikumsgespräch im Anschlus, das hier in Auszügen wiedergegeben werden soll. Die Fragen stellte das Publikum. Moderiert und übersetzt hat Adam Gusowski.
Was war das Ziel des Films?
Romaszkan: Wir wollten die Art des Reisens verändern.
Wójtowicz-Wcisło: In unserer europäischen Art zu reisen wollen wir nämlich immer die Welt entdecken.
Romaszkan: Uns hat interessiert, wie man fotografiert und filmt und sich mit der Kamera bewegt. Die Leute wollen eine echte Begegnung mit einem anderen Menschen haben. Dazu kommt es aber nicht, denn Touristen verstecken sich hinter ihren Fotoapparaten. Und die lokale Bevölkerung verkauft eben ihre Kultur – das, was sie anbieten kann.
„Wir haben das Stereotyp gesucht.“
Wo kommen die Bilder her?
Wójtowicz-Wcisło: Ich habe jahrelang als Reisebegleiterin gearbeitet und oft Filme von den Leuten bekommen, als Dankeschön und Erinnerung.
Romaszkan: Mit allen Leuten, deren Filme wir benutzt haben, hatten wir aber natürlich persönlichen Kontakt. Wir haben versucht, an andere Bilder heranzukommen und Annoncen geschaltet. Das hat nicht geklappt. Unsere Voraussetzung war übrigens, das vollständige, also ungeschnittene Material zu bekommen. Wir wollten nicht, dass jemand sagt: „Diesen Ausschnitt will ich nicht“.
Romaszkan: Wir haben sehr persönliche Bilder herausgeschnitten, die die Leute bloßgestellt hätten, denn wir haben das Universelle, das Stereotyp gesucht. So haben wir auch gezielt die Unterschiede zwischen den einzelnen Reisegruppen und Reisen verwischt. Wir wollten einen Film über eine Reise machen, ohne feste Heldinnen oder Helden.
Ist das Rohmaterial von einer bestimmten Altersgruppe gekommen?
Wójtowicz-Wcisło: Wir hatten zwar auch Filme von jüngeren Leuten, aber beim Bearbeiten des Materials haben wir gemerkt: Irgendwie war das Material der älteren Reisenden besser und spannender.
„Die echten Touristen sind noch schlimmer.“
Wie viele Leute aus den Reisegruppen haben den Film gesehen und wie waren die Reaktionen?
Wójtowicz-Wcisło: Ein Mann sagte bei der Premiere: „Die echten Touristen sind noch schlimmer“. Keiner von ihnen wird seine Art zu reisen, durch den Film verändern, denke ich.
Romaszkan: Die Reisenden suchen immer nach dem Wahren. Sie wollen die Entdecker sein. Das werden sie so aber nicht schaffen.
An dieser Stelle dreht die Regisseurin die Dynamik des Q&A um.
„Wie seht ihr den Film?“, fragt Wójtowicz-Wcisło das Publikum. Eine Zuschauerin berichtet von einem „Gefühl von Scham und Unwohlsein“, das sie den ganzen Film hindurch begleitet hätte. Andere Wortmeldungen bestätigen ähnliche oder heftiger ablehnende Reaktionen. Eine andere Zuschauerin fand den Film bedrückend: „Ich sehe manchmal auf Flughäfen diese Busse, die die Reisende abholen und in ihre Hotels bringen. Und ich denke mir: „Mein Gott, auch wenn ich Geld dafür bekommen würde, ich würde so etwas nie mitmachen“.
Distinktion oder Reflexion?
Die Zuschauer*innen, die in den Club der polnischen Versager gekommen sind, sind sich weitestgehend einig in ihrer Fremdscham. Negative Kritik am Film kommt, trotz der Länge des Gesprächs, nicht auf. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier ein Fall von „Preaching to the converted“ stattfindet. Hochreflektierte postkolonial belesene Bildungsbürger*innen, die gemeinsam verächtlich auf die Reiseformen des weißen Proletariats blicken? Nein, ganz so einfach ist es nicht, denn die Re-Kontextualisierung des in Teilen kolonial-rassistischen Materials entblößt es dennoch in all seiner Hässlichkeit. Wójtowicz-Wcisło verfolgt die ausnahmslos positiven Reaktionen interessiert. Die Antwort auf die Frage, wie die jahrelange Arbeit am Film sie selbst verändert hat, ist, wie das ganze Gespräch, seltsam unpolitisch:
Wójtowicz-Wcisło: Wir denken jetzt mehr darüber nach: Wann nehmen wir unser Smartphone in die Hand? Was fotografieren wir und wieso? Wir suchen tolle Bilder, das Exotische und das Ästhetische. Aber wir vergessen, es zu erleben.
Protokoll: Sabrina Pohlmann
Tourists: PL 2017, 72 Min., R: Marta Wójtowicz-Wcisło, Mateusz Romaszkan
Foto: (c) filmotor